VW Bus T1 Samba: Sechs Fäuste für ein Hallelujah (2024)

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Foto: Jan Bürgermeister

Mit Verlaub: Ja! Beginnen wollen wir diese Wahnsinns-Geschichte aber an ihrem Ursprung: Weshalb glänzt besagter 15-Fenster-T1 für sich schon als Ikone am Volkswagen-Klassiker-Firmament und welche Beweggründe liegen dem radikalen Umbau zu Grunde? Dazu scrollen wir ein paar Jahrzehnte zurück, als vom Transporter der ersten Generation zwischen 1951 und 1967 insgesamt 111.283 Sondermodelle (Typ 24) vom Band rollen. Als luxuriöseste Bulli-Variante führt der im Volksmund bald »Samba« genannte Kleinbus die Preisliste zu einem Kurs von zuletzt 9.245 D-Mark an. Obwohl als Acht- und Neunsitzer konzipiert, zählt seinerzeit die Durchschnittsfamilie kaum zum Kundenkreis – aufgrund der hohen Einpreisung.

Vielmehr wird der Luxus-Bus mit seiner umfangreichen und feinen Ausstattungen von Unternehmen bei repräsentativen Zwecken eingesetzt. Wer etwas auf sich hält, nutzt das Panorama-Mobil als VIP- und Gästeshuttle im hochklassigen Hotel- und Tourismus-Gewerbe. Mehr noch als seine Nutzlast-Brüder symbolisiert der Samba-Bulli den Aufstieg in der Ära des Wirtschaftswunders. Damals erlangt der Bulli auch durch Spielfilme Popularität, bei denen das stets zweifarblackierte Topmodell samt prunkvollem Chrom- und Aluminiumornat im 50er-Jahre-Flair eine automobile Hauptrolle spielt. Ein sympathischer Filmheld zum Verlieben – einer von uns und dennoch für viele unerreichbar.

Zum Sonnenkönig adelt ihn sein rundum verglaster Aufbau über der Gürtellinie. Einzigartig am Sondermodell sind zusätzliche hintere Seitenfenster, in den ersten Baujahren auch gewölbte Plexiglas-Scheiben, welche die hinteren Ecken füllen sowie sein Heckfenster – das baujahresabhängig jeweils größte im T1-Programm. Aus dem Schatten seiner Geschwister tritt er aber vor allem aufgrund der acht Dachfenster, die Liebhaber so sehr schätzen. Volkswagen liefert die gewölbten Oberlichter aus Plexiglas serienmäßig in Kombination mit einem großen Faltschiebedach der Firma Golde. Kein zeitgenössisches Auto kann mit einem derart von Licht durchfluteten Innenraum konkurrieren. Dennoch erlaubt sich seinerzeit manch Neuwagenkunde, das Faltdach samt Dachfenster mit der Option M130 abzuwählen. Wir wollen die Beweggründe jedoch nicht verurteilen, wie etwa beim vorgestellten Exportmodell Baujahr 1958 – ausgeliefert im November nach San Antonio. Möglich, dass der Erstbesitzer seine Fahrgäste vor den sengenden Strahlen der texanischen Sonne zu schützen suchte.

Verlagssonderveröffentlichung

Ein Samba ohne Oberlichter und Stoffdach mag heute wie ein Sakrileg erscheinen. In Fachkreisen erhöht dieser Kleinbus jedoch den Blutdruck der Sammler wie der Fehldruck einer »Blauen Mauritius« – so selten kommt diese Version vor, erzielt heutzutage Höchstpreise.

»Nach langem Hin und Her bin ich dem Angebot erlegen. Der Bus passte einfach zu meinen Ideen wie die Faust aufs Auge«, räumt der aktuelle Eigentümer ein. Christoph Filla betreibt seit 2008 die Reifenscheune Hagenbach (www.reifenscheune.de). Ein knüppelhartes Saisongeschäft mit Reifendienst und Kfz-Werkstatt – dessen zum Trotz garniert mit einer flotten Portion Fun und Lifestyle, wie die gleichnamigen Kanäle auf YouTube und Instagram erkennen lassen. Nach Pellen-Aufziehen und Leasing-Autos- Diagnostizieren dürstet es Christoph privat eher nach analoger Entspannung: Bullis sammeln, umbauen und fahren.

Als seit Jahrzehnten eingefleischter Verfechter des patinierten Individualverkehrs löscht der Wahl-Pfälzer in frühen Jahren seinen Benzindurst mit Niederflur-Polos, -Käfern und -Typ-3, bis ihn der erlesene Geschmack klassischer VW-Busse hypnotisiert. Geschraubt hat der 46-Jährige bislang an weit mehr als zwei Dutzend T1 und T2. Vor drei Jahren kam als Highlight die Samba-Rohkarosse mit Teilekiste zu ihm. »Das ist mein Hobby und einen 15-Fenster-Deluxe-Bulli findest du eben nicht alle Tage. Meines Wissens nach steht schon seit Langem überhaupt keiner zum Verkauf.«

Rarer als ein typischer Samba? Nicht nur das: Als Christoph und das Kleinod auf Tuchfühlung gehen, sind beide Achsen ausgebaut und im Maschinenraum fehlt der Serien-Motor. Statt dessen findet Christoph eine leere Motorkammer vor, in der großzügig, mit chirurgischer Präzision die Blechlandschaft verändert wurde. Der Vorbesitzer plante einst die Implantation eines kapitalen Porsche-Sechsenders. Wer jetzt um Fassung ringt, vermeidet es besser, weiter zu lesen! Robusten Naturen sei gesagt: Bis zum Ende durchhalten lohnt sich.

»Blech ist geduldig. Ich hätte die Änderungen am Motorraum wieder auf Originalzustand bringen können. Mich faszinierte jedoch das Porsche-Konzept des Verkäufers.« Dessen Projekt gerät jedoch ins Stocken, obwohl ein 964er-Motor bereits für die besagten Anpassungen im Heck bereit stand. Als der seltene Bulli zum Verkauf steht, gab es für Christoph kein Halten mehr.

»Der Bus war in einem sehr guten Zustand. Nur einen Außenschweller ersetzte der Vorbesitzer fachmännisch. Die meisten Anbauteile wie Spiegel, Kleiderhaken und Zierrat waren vorhanden. Die Karosserie stand zu etwa 60 Prozent im patinierten Erstlack.« Beste Voraussetzungen, um den eigenen Vorstellungen Taten folgen zu lassen: »Wichtig war mir von Beginn an, dass der Bus optisch soweit möglich original bleibt und man die neue Technik nicht auf Anhieb sieht. Der perfekte Stance ist mir auch wichtig, so dass die Räder trotz anderer Achsen und Tieferlegung korrekt in den Häusern stehen – also ohne Radhausausschnitte und überdimensionierte Felgen.« Hehre Zielvorgaben, welche letztlich den zeitlichen Rahmen als auch den Finanzaufwand mehrfach sprengen sollen.

Zeit- und Platzmangel veranlassen den Unternehmer zunächst, das ambitionierte Projekt auszulagern. Christoph überführt die Rohkarosse mit von ihm durchgeführten Anpassungen vom Rhein zu seinem Weggefährten Anton Stumpp. Dorthin, zu Cult Classics Süd in Ellgau bei Augsburg, liefert der Mann mit großen Vorsätzen bald auch einen neu gekauften Motor, der sich leider als herber Rückschlag entpuppt. Die 3,6
Liter große 911-Maschine (Typ 964) ist original mit Einspritzanlage und serienmäßigem G50-Getriebe bestückt. »Ich habe dem Anton noch gesagt, er braucht den Motor nicht zu zerlegen – das kann mein Motorenbauer bei Bedarf in der Werkstatt machen. Eine Woche später schickt er mir Bilder vom zerpflückten Aggregat.«

Trotz der Zusatzkosten sieht Christoph die Notwendigkeit der Demontage ein: Druckverlust im dritten Zylinder führte zur Totalrevision mit neuen Lagerschalen, teflonbeschichteten Kolben sowie der Überholung der Zylinderköpfe und Tausch der nikasilbeschichteten Alu-Zylinder. Anton überzeugt ihn darüber hinaus, auf Vergaser umzurüsten. »Mit Einspritzanlage wäre das nicht wirklich Oldschool und würde dem Bus nicht gerecht werden«, resümiert unser Held die fruchtende Beratung von Anton. Ein Set original italienischer 48er IDAs von Weber müssen es schon sein, lautet der Ratschlag aus Ellgau. Einen ersten Schweißausbruch kompensiert Christoph am Steuer seiner abgesenkten T1-Doka – immerhin steht schnell eine fünfstellige Summe im Raum, wenn man zu der Ende der 60er-Jahre für Rennsport-Motoren konzipierten, doppelten Dreifach-Vergaseranlage greifen will.

Es kommt nicht ganz so schlimm und Anton revidiert das Innenleben der mächtigen Gemischaufbereiter und fertigt zudem eigene Ansaugstutzen. Für die Porsche-Doppelzündanlage wird von 123-Ignition ein frei programmierbarer Zündverteiler als Sonderanfertigung in Auftrag gegeben: »Der Motor soll ja nicht nur unter Volllast gut durchziehen, sondern auch bei mittleren Drehzahlen harmonisch ansprechen«, erläutert Motoren-Flüsterer Anton.

»Das originale G50-Getriebe war für den vorgesehenen Einsatz zu groß dimensioniert«, befindet Christoph, obwohl der Vorbesitzer seinerzeit bereits einen großzügigen Kasten konstruiert hatte, unter dem die Glocke ausreichend Platz bekam. »Wir besorgten also ein kleineres, kurz übersetztes 915-Getriebe aus einem späten F-Modell mit Magnesium- gehäuse, was schließlich passte.«

Eine weitere Hürde lag bei der Kraftübertragung. Porsche koppelt beim 964 generell ein Zweimassenschwungrad sowie eine hydraulische Kupplung ans G50-Getriebe. Abermals gilt es Spezialanfertigungen einzusetzen, um das grob verzahnte 915er-Getriebe an den Motor mit Einmassenschwungrad flanschen zu können. Die Kupplungsbetätigung wird zudem ans Seilzuggestänge des T1 angepasst. Selbst Schaltkulisse und Schaltstock bleiben im Original erhalten, so dass im co*ckpit keine Veränderungen sichtbar sind.

»911er-Motoren gibt es häufiger im T1. Meist sind sie hängend mit Hilfsrahmen verstärkt montiert«, erläutert uns Busfahrer Christoph. Anders beim 15-Fenster-Samba: Um auf sichtbare Zusatzstreben verzichten zu können, wird der Originalrahmen verstärkt, der den schweren Motor trägt. Die Batterie wechselt nach links, ihren Platz nimmt der zehn Liter große Trockensumpftank aus dem Motorsport ein. Der Ölkreislauf ist mit zwei am Unterboden platzierten Kühlern verbunden. Soweit geht die Sleeper-Rechnung auf. Allein das Kennzeichen »GER-VW 911« sowie die Abgasführung mit Endrohren im GT3-Look weisen auf die geänderte Triebwerks-Philosophie hin. Spätestens wenn Christoph den Sechszylinder anwirft, ist es vorbei mit dem Thema Verkehrsberuhigung.

Damit sich der auf etwa 280 PS geschätzte Porsche-Bus manierlich bewegen lässt, balanciert ein komplett neu konzipiertes Fahrwerk die zu bewegende Masse auf dem Asphalt aus. Vorn kombiniert Christoph eine verstellbare, um vier Zoll eingekürzte Dogback-Achse mit Tieferlegungsachsschenkeln. An der Hinterhand wird auf das uniballgelagerte MBT-Schräglenker-System mit Spax-Federbeinen umgerüstet, die Drehstäbe entfallen. Trotz etwa 30 Zentimeter Tieferlegung bleibt der Federungskomfort zivil und die Wankstabilität tendiert auf Motorsport-Niveau. Auf 15-Zoll-Maxlite-Alus im Fuchs-Design schnallt der Reifenprofi saftige Toyo-Semi-Slicks. Scheibenbremsen von CSP rundum zähmen das Kraftpaket bedarfsgerecht. Diese werden über einen Bremskraftverstärker mit elektrischer Unterdruckpumpe angesteuert.

Die beschriebenen Modifikationen am Pfälzer Samba ließen sich in Buchstärke fortführen. Doch dazu fehlt hier der Platz. Dennoch lässt sich resümieren: Hagenbach ist zwar nicht Texas – aber genauso heiß, wenn Christoph sein exklusives Bulli-Sondermodell ausführt. Das zumindest vermittelt ein Beitrag auf dem YouTube-Kanal von JP Performance, der den Bus nach Dortmund einlädt. Innerhalb von nur drei Tagen durchbricht das Video die Marke von 500.000 Views bei mehr als 1.000 positiven Kommentaren. Was uns das sagt? Christoph hat mit seinem Bus den Nerv der VW-Fans voll getroffen und einen wertvollen Beitrag zum Zeitgeist des Drivestyles geleistet. Bravo!

VW Bus T1 Samba

  • Baujahr 1958
  • Karosserie VW Sondermodell Typ 24, Neunsitzer, Lackierung L53 Siegellackrot, Dach L472 Beigegrau (später L73 Kastanienbraun), Abwahl (M130) von Faltschiebedach und Dachfensterscheiben, M175 Rammschutzstangen, rechter Außenschweller erneuert, Getriebetunnel eingepasst, Rahmenverstärkungen.
  • Motor Porsche-911-Motor (964), 3,6 Liter Hubraum, Dreifachvergaser-Anlage Weber 48 IDA, Trockensumpfschmierung (Tank 10 Liter).
  • Fahrwerk VA: gekürzte 4-Zoll Achse Dogback Beams, CSP-Scheiben-Bremsanlage belüftet mit Bremskraftverstärker; HA: Schräglenker-Sonderanfertigung mit MBT Uniball-Achsführung; kurzes Porsche-915-Getriebe, Kerscher-Scheibenbremsen, Maxlite Alu-Fuchsfelgen v. 6Jx15 ET 36, h. 7Jx15 ET 47, Reifen Toyo R888 Semislicks v. 165/50, h. 195/55.

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